Verzweiflung – wenn du den Gott der Hoffnung leugnest
In den letzten Artikeln dieser Serie haben wir uns die Strategie Satans in aller Länge vor Augen geführt: Enttäuschung => Entmutigung => Niedergeschlagenheit => Hoffnungslosigkeit => Mutlosigkeit => Verzweiflung. Wir möchten uns in diesem Artikel auf zwei Bereiche konzentrieren: Zum einen müssen wir uns die Endphase der Attacke Satans auf unser Leben genau ansehen; zum anderen wollen wir uns anhand des 42. Psalms in aller Ausführlichkeit mit dem Thema Hoffnung und Heilung auseinandersetzen. Nimm zu diesem Zweck noch einmal deine Notizen vom 3. Teil zur Hand und halte sie bereit.
Wir lesen im 42. Psalm, wie der Psalmist den flehentlichen Schrei seiner Seele klar und deutlich zum Ausdruck bringt:
- Vers 6: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“
- Vers 7: „Mein Gott, meine Seele ist betrübt in mir; …“
- Vers 12: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“
Im Alten Testament wird die Seele als Sitz des Verstandes, der Gefühle und des Willens beschrieben. Das, was dich und mich ausmacht, wird mit dem Begriff Seele zusammengefasst. Wir müssen diese Gedanken im Hinterkopf behalten, wenn wir uns mit der seelischen Verfassung des Psalmisten beschäftigen und die Attacke Satans auf unser Leben verstehen wollen. Mutlosigkeit führt zu Verzweiflung, und Verzweiflung übt einen Einfluss auf alle drei Bereiche aus:
- Verzweiflung übt einen Einfluss auf unseren Verstand aus: Wir denken, dass wir im Stich gelassen wurden und auf uns alleine gestellt sind. Wir sind nicht mehr in der Lage, objektiv zu denken und die Dinge im richtigen Licht zu betrachten.
- Verzweiflung übt einen Einfluss auf unsere Gefühle (Emotionen) aus: Wir denken nicht nur, dass wir im Stich gelassen wurden, sondern wir fühlen uns auch so. Alles in unserem Inneren ruft: „Ja, das stimmt! Genauso kommt es mir vor!“
- Verzweiflung übt einen Einfluss auf unseren Willen aus: Wenn unser Verstand und unsere Gefühle dermaßen aus der Fassung gebracht sind, dann dauert es nicht lange, bevor auch der Wille von diesem Sog mitgerissen wird.
Was machen wir nun mit dem oft zitierten Bibelvers aus 1. Korinther 10,13: „Keine Versuchung hat euch ergriffen als nur eine menschliche; Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, so dass ihr sie ertragen könnt“ (ELB).
Sicherlich geht es über unser Vermögen hinaus, wenn alle drei Bereiche unserer Seele derart betroffen sind. Denn welche Form nimmt diese Versuchung an, wenn der Zustand der Verzweiflung erreicht wird? Ist es nicht die Versuchung, keinen Widerstand mehr zu leisten, sondern wie ein Insekt im Spinnennetz auf den Tod zu warten?
Im Zustand der Verzweiflung können wir uns nicht mehr darauf verlassen, Herr über unseren Körper und unsere Seele zu sein. Das Leben verzweifelter Menschen läuft in ungeordneten, logisch kaum nachvollziehbaren Schritten ab. Sie drehen sich im Kreis und sind oft in einer Art Hamsterrad gefangen, das sie so sehr aus dem Gleichgewicht bringt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, ihr Leben so zu führen, wie es Gott gefällt und ihm Ehre bereitet. Der Verstand kann keine klaren Gedanken mehr fassen oder zu Ende denken. Dieser Zustand steht in direktem Gegensatz zu dem Geist, der uns laut 2. Timotheus 1,7 gegeben wurde: „…den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“
Als verzweifelte Menschen weigern wir uns, auf den Geist Gottes zu hören, der uns durch die Gitterstäbe unseres Gefängnisses zuruft und uns ermutigt, aufzustehen und nachzusehen, ob die Gefängnistüre tatsächlich verriegelt wurde. Verzweiflung bedeutet, dass ich Gott jede Form der Hoffnung abspreche, weil ich weder die Hoffnung noch die Güte Gottes mit meinem jetzigen Zustand vereinbaren kann, da meine Emotionen abgestumpft sind und mein Wille sich der Apathie hingegeben hat.
„Verzweiflung ist ein sich intensivierender Zustand, der oft zu unüberlegten oder rücksichtslosen Handlungen führt, ohne dass der Betreffende an die Folgen seines Verhaltens denkt. Verzweiflung erschüttert die Seele. Sie muss etwas tun; sie kann sich nicht einfach still verhalten. Etwas muss geschehen, aber was?“
„Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ Weil du dich weigerst, auf Gott zu hoffen und ihn im Glauben anzubeten! Ist das das Endstadium? Ja, wenn du in diesem Zustand stecken bleibst! Doch der Psalmist will sich nicht damit abfinden.
Er versteht sehr wohl, dass es einen Auslöser für diesen Prozess gibt. Wir erfahren nicht jedes Detail, doch wenn wir berücksichtigen, was wir wissen, dann bekommen wir ein ziemlich klares Bild von der Situation. Dieser Psalm ist ein Maskil. Die Bedeutung dieses Wortes ist unklar, und daher wird es in vielen Bibelausgaben erst gar nicht übersetzt. Der Ausdruck stammt von einem hebräischen Verb ab, das so viel bedeutet wie jemandem Weisheit vermitteln oder jemanden unterrichten. Wenn wir diese Bedeutung auf den 42. Psalm anwenden, dann können wir daraus schließen, dass es sich um einen Psalm handelt, der in Weisheit verfasst wurde, um den Leser über etwas Bestimmtes zu belehren.
Durch diese anfängliche Ursache wurde ein Prozess ausgelöst, der seinen Lauf nimmt, außer der Psalmist stoppt ihn absichtlich. Er spricht siebenmal von seiner „Seele“. Dieser Prozess trifft ihn im Kern seines Wesens. Enttäuschung => Entmutigung => Niedergeschlagenheit => Hoffnungslosigkeit => Mutlosigkeit => Verzweiflung.
Aber es muss nicht dort enden.
Das Schöne an diesem Psalm ist, dass wir vor dem Hintergrund des Schmerzes und der dunklen Wolken einen Menschen sehen, der sich mit dem drohenden Zerbruch seines Geistes, der Vernichtung seiner Hoffnung und der Zerstörung seines Glaubens nicht abfinden will. Er findet einen Ausweg und weist die Sänger dieses Psalms an, seinem Beispiel zu folgen.
Was müssen wir also tun, wenn wir uns in diesem Prozess wiederfinden? Was zeigt uns der Psalmist vor, das wir nachahmen können?
1. Er fürchtet sich nicht davor, die Frage nach dem Warum zu stellen. Sechsmal in diesem Psalm stellt er diese Frage – nicht in einem philosophischen Sinn, nicht aus Selbstmiteid, nicht anmaßend, sondern ehrlich. Immer wieder stellt er diese Frage, um die richtige Grundlage für seine Antwort zu schaffen. Sein Fragen hilft ihm, sich seinen Auftrag und seine Aufgabe in Erinnerung zu rufen, die richtige Sicht von Gott und seiner Beziehung zu Gott beizubehalten, und es ermöglicht ihm, seine Hoffnung auf die wahren Umstände zu richten und die Antwort (Antworten) zu finden, die er sucht. Er ringt mit seiner Situation, seinen Gedanken, seinen Zweifeln und seinen Fragen. Er identifiziert die Ursache, er unterscheidet zwischen jenen Stimmen, die laut schreien und der einen Stimme, auf die er sich konzentrieren muss, um sie zu hören.
2. Er fordert sich selbst auf, das zu tun, was getan werden muss.
- Er ruft sich seinen Zweck in Erinnerung („Daran will ich denken …“ – V. 5),
- er betont mehrfach seine Beziehung zu Gott („darum denke ich an Dich …“– V. 6, „… mein Gott …“ – V. 7.12; „…der Gott meines Lebens …“ – V. 9; „… Gott, mein Felsen …“ – V. 10);
- er fordert sich selbst zweimal auf, zu hoffen: „Hoffe auf Gott! Denn ich werde ihn noch loben …“– V. 6, 12 (NeÜ).
Wenn du im Sumpf steckst und versucht bist, „deine Seele in dir auszuschütten“ (V. 4), dann musst du dich selbst hörbar auffordern, dein Denken zu ändern. Du darfst nicht passiv bleiben und diese Dinge über dich ergehen lassen. Du musst handeln, die Kontrolle an dich reißen und alles tun, um den Kreislauf zu brechen, den Angriff zu stoppen und den Boden zurückgewinnen, der dir weggenommen wurde. D. Martyn Lloyd-Jones sagte:
„Ist dir bewusst, dass der größte Teil deines Kummers im Leben darauf zurückzuführen ist, dass du dir zuhörst, anstatt mit dir zu reden? Nimm zum Beispiel die Gedanken, die dir durch den Kopf gehen, wenn du am Morgen aufwachst. Du hast sie nicht verursacht, aber sie reden mit dir, erinnern dich an die Probleme von gestern, usw. Jemand spricht mit dir, aber wer? Dein ‚Ich‘ spricht mit dir. Dieser Mann reagierte so. Anstatt sein ‚Ich‘ reden zu lassen, begann er, zu sich selbst zu sprechen. Er fragt: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?“ Seine eigene Seele hatte ihn entmutigt und deprimiert, doch er steht auf und sagt: „Seele, höre zu, denn jetzt rede ich mit dir.“ (Spiritual Depression, 20–21)
Wenn wir weiterhin den Fehler machen, „unsere Seelen in uns auszuschütten“, werden wir nie Boden gewinnen. Statt dessen müssen wir uns selbst auffordern, das zu tun, was getan werden muss.
3. Er spricht das aus, von dem er weiß, dass es die Wahrheit ist.
Wo fangen wir an, wenn wir uns selbst ermahnen sollen? Wir müssen damit beginnen, dass wir uns jene Tatsachen in Erinnerung rufen und vor Augen halten, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Du kannst die äußeren Umstände wahrscheinlich weder kontrollieren noch verändern – im 42. und im 43. Psalm ist nirgendwo davon die Rede, dass die Feinde zum Schweigen gebracht wurden, dass der Spott aufhörte, dass die Bedrückung ein Ende fand oder dass der Psalmist tatsächlich nach Jerusalem zurückkehren konnte, um seinen Dienst wiederaufzunehmen – aber du kannst ändern, in welchem Maß dich diese äußerlichen Faktoren beeinflussen.
Der erste Schritt besteht darin, die Wahrheit über Gott auszusprechen. Es ist interessant, dass der Psalmist für Gott den Namen Elohim wählte, was soviel bedeutet wie der Höchste oder der (All-)Mächtige. Derselbe Name steht in 1. Mose 1,1, wo Gott als Schöpfer des Himmels und der Erde in Erscheinung tritt, und genau dieser Name wird von dem Psalmisten in dem gesamten Psalm verwendet. Er bekräftigt, dass Gott ihn erschaffen hat, dass Gott seine innersten Teile kennt, dass Gott sowohl die Macht als auch die Kontrolle innehat, und zwar nicht nur über sein Leben oder die äußeren Umstände, sondern dass Ihn nichts von dem, was der Psalmist erlebt, unvorbereitet treffen kann. Abgesehen davon wird er im 1. Vers als der „lebendige Gott“ bezeichnet, im Gegensatz zu anderen „Göttern“ oder Heilmitteln, die man vielleicht als Erstes in Anspruch nehmen will. Er bekräftigt, dass alles darauf ankommt, sich in der Gegenwart dieses Gottes aufzuhalten (V. 2.3.6.12). Er nennt Gott seinen „Felsen“, bei dem er Zuflucht findet, an den er sich festklammern kann und dem er seine Fragen nach dem „Warum“ stellen kann (V. 10). Gott ist „das Heil (seines) Angesichts“ (V. 12; ELB 2006). Im 8. Vers bekräftigt der Psalmist, dass Gott „des Tages … seine Gnade aufbieten (wird), und des Nachts wird sein Lied bei mir sein …“ (ELB 2006). Gott ist unerschütterlich, unbeweglich, stark, mächtig, der Höchste, der Lebendige, würdig unseres Lobs, würdig unseres Vertrauens, bereit zu helfen, und in deiner Beziehung zu Ihm findest du Sicherheit.
Sprich das aus, was die Wahrheit über dich selbst ist. Auf der Grundlage deines Bekenntnisses der Wahrheit über Gott musst du als nächstes bekräftigen, was die Wahrheit über dich selbst ist. Der Psalmist gibt uns mehr als ein schönes Beispiel dafür:
a) Er bekennt, dass er von sich aus nichts tun kann, um seine Situation oder den Zustand seiner Seele zu ändern, die Wolken wegzublasen oder die fremden Stimmen zum Schweigen zu bringen.
b) Er erkennt, dass sein erstes und wichtigstes Bedürfnis die Nähe zu Gott ist. Er braucht diese Nähe mehr als alles andere.
c) Seine gesamte Hoffnung beruht ausschließlich auf Gott (V. 6 und 12). Diese Hoffnung entspringt seiner persönlichen Beziehung zu Gott (V. 4, 11 – „… d e i n Gott“; V. 9 – „… der Gott meines Lebens …“; V. 10 – „… Gott, mein Fels …“)
Sprich das aus, was die Wahrheit über deine Zukunft ist. Der gesamte Psalm ist von einer Erwartungshaltung geprägt. Wir gewinnen nicht nur einen Eindruck von den Turbulenzen, die der Psalmist erlebt, sondern auch von seiner Hoffnung für die Zukunft. Er beschreibt anschaulich, was geschehen ist und gerade geschieht, bekräftigt jedoch auch, dass er keine Zweifel daran hat, was seine Zukunft bringen wird:
– „Ich werde ihn noch preisen“ (V. 6)
– „Der HERR wird seine Gnade aufbieten“ (V. 9)
– „ … des Nachts wird sein Lied bei mir sein…“ (V. 9)
– „Ich werde ihn noch preisen“ (V. 12)
Im Hinblick auf Gott hat er das unerschütterliche Vertrauen, dass das letzte Kapitel seines Lebens noch nicht geschrieben wurde. Er wird nicht aufgeben. Er wird sich nicht von Gott abwenden. Er kann nicht alles verstehen; seine Situation sieht so schlimm aus, wie man es sich nur vorstellen kann, aber es gibt Hoffnung. Seine Tränen werden sich in Freude verwandeln, seine Trauer in Tanzen, seine Klage in Lob. Seine Feinde werden ihn nicht überwältigen. Sein Blick wird sich wieder heben können.
Wir müssen verstehen, dass es eine Ursache gibt; wir müssen verstehen, dass es einen Prozess gibt, und wir müssen verstehen, dass es einen Ausweg gibt. Wir haben zu Beginn dieser Artikelreihe einen Blick auf die Überschrift dieses Psalms geworfen: „Ein Maskil der Söhne Korach“. Es ist ein Psalm der Unterweisung, der uns weise macht. In Epheser 5,19-20 fordert Paulus die Gläubigen auf, „zueinander in Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern zu reden und dem Herrn mit eurem Herzen zu singen und zu spielen und Gott, dem Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus zu jeder Zeit und für alles zu danken!“ Wenn sich deine Wolken nicht lichten wollen, dann hast du jetzt einen Psalm, mit dem du dich und andere Menschen ermutigen kannst.
(c) 1994-2019 Precept Ministries International e.V. All rights reserved. Übertragen aus dem Buch von Kay Arthur, Beloved: From God’s Heart To Yours (Eugene, OR: Harvest House Publishers, 1994), April 3-8.